Vor wenigen Tagen, am 10.01.2023, unterzog sich Jan der zweiten Operation. Die Metallteile, die sechs Brustwirbel fixierten, wurden an der Kepler Universitätsklinik (Linz) operativ entfernt. Nach den schmerzhaften Erfahrungen vor und nach der ersten Operation war die Vorfreude verhalten. Aber alles ist super verlaufen.

Hohenems am 13.01.2023

Spulen wir zeitlich ein paar Monate zurück, ich will Euch die Vorgeschichte etwas näher bringen.

Am 24.07.2022 kollidierte Jan in der letzten Runde des Rennens in Schleiz mit einem Kontrahenten beim Kampf um den dritten Platz. Das passierte bei deutlich über 200km/h, Jan kugelte durch die Gegend und kam im Kiesbett zum Liegen. Schon während des Sturzes wurde Jan klar, dass es ein Problem mit dem Rücken gibt. Trotz Airbag, der laut wissenschaftlichen Untersuchungen den Schutz von 8-10 Rückenpanzern bietet, war zumindest ein Aufprall während der Sturzphase so stark, dass ein Brustwirbel quer brach und verrutschte. Ich komme später etwas genauer dazu.

Im Kiesbett liegend öffnete Jan die Augen, Luft bekam er keine. Die Auswirkung einer Lungenquetschung waren schon bekannt, lösten somit keine Panik beim mittlerweile erfahrenen Rennfahrer aus und nach ca. 30s strömte wieder Sauerstoff in den Körper. Aber er sah trotz offenen Augen nichts mehr, was sich später als ein Effekt von aus Platzwunden stammendem Blut, welches in die Augen geronnen war, herausstellte. Schließlich trafen die Rettungskräfte ein und die Erstversorgung wurde vorbildlich durchgeführt. Danke an Rettungssanitäter Jens und der ganzen Mannschaft.

Etwa 30 Minuten nach dem Unfall wurde Jan per Helikopter in die Klinik nach Zwickau geflogen. Schmerzmittel der ganz feinen Sorte ließen Jan den Flug in einem entspannten Zustand erleben. Im Krankenhaus musste sich Jan zuerst überflüssige Kommentare wegen Risikosportarten anhören, das war in der Situation aber auch schon egal. Es ging ums Überleben und das nach Möglichkeit ohne bleibende Schäden.

Jedenfalls wurde Jan aus dem Rennanzug rausgeschnitten und diversen Untersuchungen unterzogen (Röntgen, CT) und am nächsten Tag beim MRT wurde festgestellt, dass ein Brustwirbel gebrochen und zwei weitere Brustwirbel angeknackst waren. Ob Operation oder konservative Behandlung war unklar, die Meinung der Ärzte änderte sich immer wieder. Es war Urlaubszeit und der Chefarzt war im Urlaub.

Jan wurde angewiesen, sich im Krankenhausbett nicht zu bewegen. Ich machte mich am Mittwoch, nachdem Bruder Ken am Dienstag nach Hause gefahren war, sehr früh auf den Weg nach Zwickau zwecks Unterstützung bei Entscheidungen. Am frühen Vormittag konnte ich zum mit Schmerzmittel zugedröhnten Jan, bekam die ganzen Befunde und Daten ausgehändigt. Als ich im Hotel das Wirbelsäulen MRT ansah, wurde ich blass. Der verrutschte Brustwirbel drückte bereits ganz klar in den Nervenkanal. Die Querschnittslähmung war 1mm entfernt.

Gut, dass die OP mittlerweile fix war. Auf den frühen Donnerstagnachmittag geplant. Die Dauer wurde auf 2h geschätzt. Ich rechnete noch 1h Aufwachzeit ein und begab mich ins Krankenhaus. Jan war noch nicht auf dem Zimmer. Na gut, vielleicht hatte die OP ja später begonnen, dann ging ich 1h spazieren und versuchte es erneut. Noch immer kein Jan. Ich hinterließ meine Telefonnummer und bat um einen Anruf, wenn es Neuigkeiten jeglicher Art gebe.

Was sich die nächsten Stunden in meinem Kopf abspielte, ist schwer in Worte zu fassen. Ich versuchte, mich irgendwie zu beruhigen. Drei Stunden später, ich machte den 5. Spaziergang, kam der ersehnte Anruf. Die Krankenschwester sagte mir, alles sei gut gegangen, ich könne jetzt kommen. Was für eine fantastische Nachricht. Trotz der insgesamt schrecklichen Situation überwältigte mich das Glücksgefühl.

Die OP hatte pünktlich begonnen und wirklich nur 2h gedauert, der Rest war Beobachtung und Einstellung der Schmerzmittel vor dem Rücktransport in das Zimmer. Der operative Eingriff wurde ausgezeichnet durchgeführt, wie sich im Laufe der nächsten Monate und bei der Entfernung der Implantate herausstellte. Vielen Dank an das chirurgische Team. 

Die nächsten Tage wurde es immer etwas besser und schließlich machte Jan die ersten eigenständigen Schritte. Er hatte starke Schmerzen im Rücken und nach fast zwei Wochen noch immer ein sehr geschwollenes linkes Sprunggelenk, ein Auftreten war fast nicht möglich. 1 Woche nach der OP wurde schließlich festgestellt, dass das Sprungbein gebrochen war. Und so bekam Jan am Entlassungstag aus dem Krankenhaus einen Gips und die Anweisung, 6 Wochen nicht zu belasten. Mit Krücken ist das sehr fein, wenn der Rücken frisch operiert ist. Man könnte fast von einer optimalen Situation sprechen.

Wir fuhren dann nach Hause, wo die erste Zeit sehr mühsam war. Nicht einmal ein Glas Wasser konnte der Rennfahrer von A nach B transportieren. Aber die Zeit ging vorbei und heilte im wortwörtlichen Sinne die Wunden. Hanno Halbeisen, Jan’s Physiotherapeut des Vertrauens, war schon früh eingebunden und somit ging es Schritt für Schritt aufwärts. Auch mental wurde es besser. Die Wolken am Horizont lichteten sich. Obwohl noch immer nicht ganz klar ist, ob Jan weiterhin Rennfahrer bleibt. Das wird sich erst im Laufe des Jahres 2023 zeigen.

Damit komme ich zurück zum aktuellen Stand. Alles ist wunderbar verheilt und nach nicht einmal einem halben Jahr konnten die Metallteile wieder entfernt werden. Diese OP fand in Linz statt. Thomas Gradinger, der in der 600er Klasse ebenfalls in Schleiz einen schweren Sturz mit gebrochenen Wirbeln erlitt, hatte den Kontakt zur Kepler Klinik, besser gesagt zum selbst Rennstrecke fahrenden Arzt Florian, hergestellt.

Die Betreuung im Krankenhaus und der chirurgische Eingriff war hervorragend. Keine Frage, das spielt in der höchsten Liga. Vielen Dank dafür.

Schon einen Tag nach der OP konnte ich mit Jan wieder nach Hause fahren. Damit hätte wir nicht gerechnet und freuen uns nun umso mehr.

Schon bald wird das Aufbautraining der Muskulatur und die Mobilisierung des Rückens starten. In etwa 3 Monaten sollte die Heilung der Verschraubungslöcher vollständig erreicht sein, dann kann Jan wieder auf ein Motorrad sitzen und wir werden sehen, wie es sich anfühlt.

Der Plan für die Saison 2023 ist, es ruhig anzugehen.

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