Nach drei erfolgreichen Vorsaison-Tests reisten wir mit breiter Brust in die Niederlande zum traditionsreichen TT Circuit Assen. Im Fahrerlager angekommen, war nach fast 11 Monaten Racing Pause alles etwas anders. Abstände mussten eingehalten werden und in der Box, sowie bei der Anmeldung galt Maskenpflicht. Dennoch fühlte sich alles vertraut an. Endlich wieder unter „normalen“ wahnsinnigen

 

Am Freitagmorgen brach ich in der Früh zu einer kleinen Joggingrunde auf. Schuhe an, Kopfhörer rein, Metallica auf die Ohren und los geht’s! Ich spürte, dass es kein Test war, sondern dass es endlich losging. Das Kribbeln im Bauch war intensiver. Schnell unter die Dusche, Haferflocken mit Früchten als Frühstück und ab in die Box. Mit der Crew nochmal die Taktik durchgehen, den Airbag in meiner neuen Blitz Racing Kombi aktivieren und wieder ab ins Wohnmobil. Ein paar tiefe Atemzüge, um in den Flow zu kommen und dann einmal die Strecke visualisieren. Raus auf die Isomatte und aufwärmen. Erst mobilisieren, dann Jonglieren und zum Schluss noch eine Reaktionsübung.

Rein in die Kombi, Motörhead auf die Ohren und ab in die Box. Mein Mechaniker zwinkert mir zu, während er das Bike warmlaufen lässt und ich mich auf meinen Stuhl setze. Die Crew lässt das Boxentor hoch und Koko (Mechaniker) zeigt mir zwei Finger, was für „noch zwei Minuten“ steht. Ich ziehe Helm und Handschuhe an und nehme einige tiefe Atemzüge. Koko kommt rein und ruft „green“. Die Jungs nehmen die Reifenwärmer runter und schieben das Bike raus. Ich stehe auf, laufe vor, dehne mich noch einmal durch, schließe das Visier und steige auf. Pit-Limiter rein und auf geht’s. Am Ende der Boxengasse wieder raus und Vollgas! Ich begann gleich zu Pushen und fühlte mich wohl. Auf dem Pitboard stand immer etwas zwischen P3 und P5. Unter dem Helm dachte ich mir schon „geil!“ Die Zeiten kamen recht locker und ich beendete die Session auf Rang 5. Mitten drin bei Folger, Mikhalchik, Alt, Mackels, Schmitter, Leonov, Puffe, Polita, Nigon, Bijsterbosch, usw. Im zweiten freien Training steigerte ich mich und fuhr zum ersten Mal eine 1:39 in Assen. P8 in FP2. Im Dritten griffen wir dann nochmal richtig an und ich fuhr 0,8 Sekunden schneller (1:39,0). Damit fuhr ich gesamt die fünftschnellste Zeit des Tages. Ein Auftakt nach Maß! Voll bei der Musik dabei und ein granatenhaftes Feeling auf dem Bike. So gingen wir mit breiter Brust ins Qualifying!

Am Samstagmorgen fand um 10:00 Uhr unser erstes Qualifying statt. Als ich rausfuhr wurde bereits in der „In-Lap“ die Session aufgrund eines Sturzes abgebrochen und ich fuhr ohne gezeitete Runde wieder in die Box. Als die Strecke wieder freigegeben wurde, fuhr ich sofort wieder raus. Doch bereits in der In-Lap zeigten die Marshalls die Schmutzflagge, welche auch bei Regen eingesetzt wird. Ich sah wenige Tropfen auf meinem Visier und ging vom Gas. Ich rollte in die nächste Kurve und am Scheitelpunkt sah ich plötzlich, dass der Belag NASS war! Doch es war schon zu spät, im selben Moment rutschte mir das Hinterrad weg und als das Bike schon fast quer zur Fahrtrichtung stand, bekam es wieder Grip und schleuderte mich abartig über das Motorrad.

Ich hatte Zeit mir in der Luft zu denken: „Fuck, so hoch bin ich noch nie geflogen!“ Ich knallte mit dem Kopf voraus auf den Asphalt und taumelte dann neben meinem Bike ins Kies. Sofort stand ich auf und lief weg von der Strecke, denn die nächsten Fahrer schossen bereits neben mir ins Kies. Doch dann musste ich mich nochmal hinknien, denn mein Kopf schmerzte sehr heftig! Die Streckenposten halfen mir hoch und schafften mich hinter die Bande. Nur in dieser einen Kurve hatte es während der Unterbrechung stark geregnet, der Rest der Strecke war trocken. Die Sanitäter nahmen mich mit ins Medical Center für einen Check-Up. Abgesehen von den Kopfschmerzen fühlte ich mich erstaunlich gut. Als ich das Medical Center verließ, wurde mir etwas schwindlig und ich bemerkte, wie mein äußeres Sichtfeld mehr und mehr verschwommen wurde. Also drehte ich gleich wieder um und beschloss im Krankenhaus ein MRT machen zu lassen, um eine Hirnblutung ausschließen zu können. Die Ärzte checkten mich komplett durch und gaben anschließend Entwarnung. Also brachen wir wieder Richtung Strecke auf. Dort angekommen ging ich gleich zur Rennleitung und klärte den weiteren Verlauf ab. Sollte ich für fit erklärt werden, kann ich am Rennen teilnehmen. Allerdings vom letzten Startplatz, da ich ja keine gezeitete Runde im Quali fuhr. Meine Mechaniker hatten das Bike bereits repariert. Nun entspannte ich mich den Rest des Tages, um am Sonntag möglichst fit zu sein.

Am Sonntagmorgen musste ich auf die Joggingrunde verzichten. Ich lief nicht besonders rund, aber der Kopf war einigermaßen klar und das war die Hauptsache. Also starteten wir in das Warm-Up, um zu sehen, ob es geht.  Ich fuhr erst eine Runde vorsichtig, um zu checken, ob alles OK ist. Dann fuhr ich noch eine Runde, um das Vertrauen zu finden. Anschließend versuchte ich zu pushen und es gelang hervorragend. Ich fuhr mehrere 1:39er Zeiten und beendete die Session auf P2 hinter Jonas Folger! Als ich in die Box fuhr, sah ich das Grinsen meiner Crew deutlich unter ihren Masken. Ich war bereit für die Rennen!

Rennen 1:

Von Startplatz 30 war das Ziel in die Top 9 zu fahren, um in Lauf zwei im Rahmen der „Reverse Grid Startaufstellung“, welche nur die ersten 9 einschließt, nicht mehr von hinten starten zu müssen.  In der letzten Sekunde wurde der Start abgebrochen, da es einen Kurzschluss an der Ampel gab! Alle Bikes wurden zurück zur Box gebracht und zehn Minuten später fuhren wir wieder in die Startaufstellung. Beim zweiten Versuch klappte es. Ich fuhr sehr aggressiv in den ersten Kurven, um möglichst viele Plätze gutzumachen. Mit ein paar Berührungen, aber bereits auf Position 20 kam ich aus der ersten Runde. Doch beim Versuch die Lücke zum Vordermann zu schließen verbremste ich mich in Kurve 1 und musste zwei Konkurrenten wieder vorbeilassen. In den nächsten fünf Runden fuhr ich bis auf P16 vor, doch dann hatte ich einen heftigen Rutscher in Kurve 5, den ich gerade so noch abfangen konnte. Ich knallte auf die Windschutzscheibe und dabei brach der Bremsflüssigkeitsbehälter, sowie der Kupplungshebel ab. Ich hing nur noch irgendwie auf dem Bike und steuerte es so gut es ging von der Strecke, um nicht angefahren zu werden. Da stehenbleiben ohne Kupplung recht schwierig ist, fiel mir das Bike beim Versuch, abzuspringen und es festzuhalten im Gras um.  Ich konnte das Rennen nicht wieder aufnehmen und musste aufgeben. Nächste Chance in Lauf 2.

Rennen 2:

Dieses Mal ging ich es etwas ruhiger an. Ich fuhr in den ersten Runden auf Rang 17 vor und schloss zu Rennmitte auf die Kampfgruppe um Platz 11 auf. Ich setzte saubere Überholmanöver und fuhr an die Spitze der Gruppe. In den letzten Runden wehrte sich mein Konkurrent Ricardo Brink und verteidigte Rang 11. Ich kam hinter ihm auf Rang 12 ins Ziel. Von Startplatz 30 und mit der Vorgeschichte des Wochenendes ein gutes Ergebnis, dennoch waren die Gefühle im Parc Fermé gemischt. Trotzdem war der Speed sehr gut und beim nächsten Rennen werden wir zeigen, wozu wir imstande sind!

Sachsenring Test

Noch am Sonntagabend brachen wir auf zum Sachsenring, wo wir Montag und Dienstag testeten. Es war ein wichtiger Test, bei dem ich mir den Kopf wieder freifahren und die tückischen Kurven des Sachsenrings genau einprägen konnte. In weniger als drei Wochen geht es dann genau auf dieser Strecke mit den nächsten zwei Läufen der IDM weiter. Wir sind schnell, motiviert und bereit wieder alles zu geben!

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